14 Januar 2007

Gerüchteküchen



Seit dem ich mich erinnern kann, hat es mich schon immer fasziniert wie Gerüchte entstehen, wie sie sich wandeln und aufgehen. Schon am Wortstamm "Geruch", lässt sich erkennen, dass es sich um einen wenig fassbaren Stoff handelt, der wahrgenommen und transportiert wird. Eine Essenz - die Spur einer Substanz - wird wahrgenommen. Das Wort "Küche", macht deutlich, dass andere Substanzen hinzugefügt werden müssen und das Ganze einem Prozess ausgesetzt werden muss mit Vorliebe der des Kochens. Gerührt werden muss selbstverständlich auch, sonst bewegt sich ja nichts. Meiner Erfahrung nach, verbreiten sich Gerüchte besonders schnell, wenn sie jemandem unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut werden. Das macht sie gerade zu, zu einem Bon-Bon für die wahren Gerüchte-Connaisseure , welche sie gern mit anderen teilen wollen. Die zu Grunde liegenden positiven Elemente, im Sinne eines Reframing, sind dem Menschen angeborene und /oder erworbene Eigenschaften wie, Informations- und Mitteilungbedürfnis und die Sorge um das Wohl anderer. Eigentlich alle, der sozialen Gemeinschaft zuträgliche Eigenschaften. Eigentlich - doch seltsamer Weise gibt es kaum Berichte von sich positiv für das Gerüchteopfer auswirkende Gerüchte. Das Negative daran, lässt sich auch an der Wandlung des Riechens zu "rüchigem" oder gar "Anrüchigem" merken.
Das heißt, es
geht immer um Dinge die nicht ganz koscher sind, wie leicht verdorbenes Fleisch zum Beispiel. Doch jede wirklich gute Köchin würde sich dieses Stückes entledigen oder ihrem Hund zum Fraße vorwerfen. Nicht so in einer guten Gerüchteküche. Da wird im übertragenen Sinn, das Stück Fleisch eher in die Sonne gelegt und dem Fäulnisprozess mit ein wenig Dreck weiter auf die Sprünge geholfen. Dann serviert man es möglichst schnell dem nächst besten, damit sich die Hitze vom Faulen auch gut hält. So fügt dann jeder hier und da noch etwas zu, die Schwerhörigen haben sowieso nur die Hälfte verstanden und sind auf eigenen Zudichtungen eh angewiesen, sowie die besonders Phantasievollen, die statt Geschichten zu schreiben, sich hier im Ausschmücken hervortun.
Bis ein gutes Gerücht so richtig aufgegangen ist, wie ein gelungener Hefeteig, bedarf es vieler Köche und natü
rlich ein wenig Zeit. Ausgereift ist es, wenn es die Runde gemacht hat und dem jeweiligen Opfer in der Endfassung zu Ohren kommt. Bis dahin ist es natürlich schon viel zu spät um eventuell ursprünglich vorliegende Missverständnisse zu klären. Dieser Versuch endet meist darin, dass immer neue Gerüchte in Variationen entstehen. Wer den Film, "Critters" gesehen hat, in dem wuschelige kleine, süße Wesen zu alles fressenden, sich kugelnden, bösartigen Monstern mutieren, weiß was ich meine.
Dem Wesen nach, gibt es unterschiedliche Arten von Gerüchten. Es gibt die, die mit einer ganz bestimmten Absicht in die Welt gesetzt werden. Das sind die ausgefuchsten Köche, die sozusagen ein vier Gänge Menü anrühren, das es in sich hat. Diese erhoffen sich einen Vorteil ihres Köchelns, ein Ablenken von ihren eigenen Machenschaften oder das reine Verlangen, jemandem eins aus zu wischen. Dieser Aspekt der Hilflosigkeit, spiegelt sich dann in der Reaktion des Opfers. Was auch immer dieses sagt oder tut, führt immer weiter in den Gerüchtesumpf hinein.
Die andere Sorte Gerücht, ist das echte Missverständnis, welches sich verselbständigt. Hier hat der Ursprungskoch meist einen Tag der selektiven Wahrnehmung erwischt und das ergibt dann auch eher ein Gerücht der Marke, "Reste-Gericht"
. Da kommt einfach alles 'rein was man noch so hat. Diese Gerüchte sind für das Opfer meist auch eher verdaulich, führen auf jeden Fall nie zu Vergiftungstod. Manchmal sind sie sogar für das Opfer gerade zu erheiternd.

Betrachtet man welche Voraussetzungen ein Gerücht braucht, um wirklich gut zu gedeihen, so stellt man fest: Vorteilhaft sind Orte an denen es viele Menschen auf kleinem Raum gibt, die sich möglichst kennen. Obwohl man auch Zwischenträger benutzen kann, die das gemeinte Opfer gar nicht persönlich kennen. Zu viele dürfen es allerdings nicht sein, dass das Gerücht auf Grund des Mangels an echtem Interesse verwässert und die anderen dann die doppelte Mühe haben das Gerücht mit saftigen Einzelheiten zu schmücken.
Schön und schnell verbreiten sich Gerüchte also an Orten wie: Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeitern, große Freundeskreise, Dörfer und Kleinstädte.
Ins Gesamt sorgen sie
wahlweise für unfairen Wettbewerb, sie behindern Karrieren und schaffen Außenseiter. Manchmal trifft gleich alles zu. Somit sorgen sie für einen Machtausgleich. Diejenigen die sich sonst schlecht, hilflos oder inkompetent fühlen, können sich so wunderbar an denen rächen, denen es im allgemeinen besser geht. Wer mächtig ist, hat keinen Bedarf an der Aussetzung von Gerüchten.
Im Kleinen, verderben sie Freundschaften.
Immerhin können dann ja vielleicht neue entstehen... , und sie lassen die Betroffenen wenigstens einen Tag lang beschäftigt sein. Wer langweilt sich schon gerne?

Somit sorgen Gerüchte gelegentlich dafür, dass man endlich seinen Freundeskreis wechseln muss und sich so das soziale Umfeld weitet. Allianzen werden neu ausgehandelt, möglicher weise muss sogar ein neuer Wohnort oder gar eine neue Stelle
gesucht werden. Somit können Gerüchte dafür sorgen, dass man mobil bleibt. Für Außenseiter zu sorgen ist auch eine wichtige Funktion im sozialen Gefüge, denn wo sollten sonst die angestauten Aggressionen hin? Kurzum Gerüchte sind ein allround Mittel zur Aufhebung allzu bequemer Harmoniebestrebungen.
Doch für alle die, die trotz der aufgezeigten Vorteile von Gerüchten, ihnen nicht Kampf los zum Opfer fallen möchten, hier einige Tipps zum richtigen Umgang mit ihnen:

- Wer Action liebt, ergreift das bei ihm angekommene Gerücht, würzt es kräftig schüttelt es gut durch und wirft es erneut in die Runde, bis die Einzelheiten derartig unwahrscheinlich werden, dass auch der Leichtgläubigste merkt, dass daran was faul sein muss.

- Für die eher Zurückhaltenden: Wird einem ein Gerücht zugetragen, welches einen selber betrifft, reagiert gar nicht, schmunzelt vielleicht verhalten und hungert damit den begierig auf Reaktion Wartenden so aus, dass es nichts gibt, was er weiter kolportieren könnte.

- Für Exibitionisten: Man wendet sich an die lokale Zeitung und offenbart alle Einzelheiten seines Privatlebens, outet sich sozusagen selbst. Das hilft immer, zumindest der Zeitungsauflage.

- Für Welten müde Existenzialisten: Man zieht an einen fernen Ort, bezieht eine Einsiedlerhütte und spricht nur noch mit seinem Hund. Gerüchte wird es zwar jetzt immer noch geben, aber man erfährt sie nicht mehr.

Wer das alles nicht möchte, bleibt nur noch die Messer zu wetzen und seinerseits Gerüchte über alle beteiligten Köche in die Welt zu setzen. Damit hat man eine faire Chance noch eine Weile im Rennen zu bleiben. Und wer dann noch Schwierigkeiten hat die Wahrheit heraus zu bekommen, möge daran erinnert sein, dass die Hindus alles auf dieser Welt sowieso für Maya - Illusion halten.

Fröhliches Kochen
wünscht
Miss Interpretia


Keine Kommentare: